1/10/2009

Am Hoizonte zieht auf...

Am Horizonte
zieht auf
eine merkwürdige
Zeit;

schon die Späher
laufen davon
blaß,
so bleich
und ganz erfüllt
vom Schrecken.

Noch ahnen wir nicht,
was sie gesehen.

Noch treiben wir
klaglos,
nahezu klaglos,
tagein,
tagaus
unser Spiel.

Noch marschieren wir
nicht.

Noch fehlt uns
das Rüstzeug.

Doch hier und da
brodelt's:

Es geht die Kunde,
unweit der Grenze
seien Standarten
zu sehen,
zu zählen
Legionen.

Die Stille trügt.

Ganz plötzlich
losbricht
ein Sturm.

Der Tag sich
verdunkelt.

Schon bebt die Erde,
sind jene Posaunen
zu hören -

Nun erst
ergeht der Befehl,
die Tore
zu schließen.

Zu spät.

Auf meiner Flucht
ich stolpere
über ein sterbendes
Kind -

sein ganzes Angesicht
lächelt,
in seinen Augen
stehen Tränen.

Ich falle.

Es ergreift
meine Hand:

'Hab keine Angst,
hab keine Angst,
es ist doch nur
die Rückkehr
des Königs!'

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bezieht sich dein Gedicht vielleicht auf die momentane Wirtschaftslage und ihre Folgen? Zumindest ist das das erste, was mir einfiel.
Oder ist es eine Beschreibung der zwangsläufigen Falls der Menschheit?

traumstreuner hat gesagt…

Wer weiß das schon so gennau... - Es ist meinem Empfinden nach das erste Gedicht, das ich seit vielen vielen Jahren endlich einmal wieder geschrieben... - Das Herz war zu empfangen bereit - und zunächst empfing es wohl eine Schwingung, die tatsächlich in einem engen Zusammenhan steht mit der Krise. - Aber der Dichter ist ja Späher, Ahnungsloser, auf überstürzter Flucht Stolpernder und Kind zugleich - und vor allem sehnt er herbei die Rückkehr des Königs!

Das es auf diese herauslaufen würde, war dem Herzen dann sehr bald klar und ganz von alleine - wie früher, wie früher! - fand es dann Stimme...

Mir gefällt es jedenfalls sehr und die Art, wie es entstand, versetzt mich irgendwie in eine frohe Aufbruchstimmung...

Die Rückkehr der Stimme, weil der König ist nah?

Anonym hat gesagt…

Es gefällt mir :) Ich finde es gut und freue mich sehr, dass du wieder richtig schreibst. ICh würde auch so gerne wieder richtig schreiben. Vielleicht wird mich Sao Paulo und die Ferienzeit dazu kommen lassen!

Fange weiter auf!

Anonym hat gesagt…

Worauf spielt die letzte Strophe an?

traumstreuner hat gesagt…

Du fragst nach der letzten Strophe, die doch recht eigentlich die gleiche wie die erste ist. - 'Am Horizonte zieht auf eine merkwürdige Zeit.' - Möglicherweise ein Paradigmenwechsel, der viele Leben fordern wird, der aber auch die Chance mit sich bringt auf eine neue, wahrhaftige Kultur.

Wir haben uns ein Reich nahbei der Hölle geschaffen, Hölle ist Gottesferne, Ferne von der tieferen Wahrheit des Seins, Ferne von den tieferen Ebenen des Lebens, der Liebe.

Das Wort Sünde hat wohl im Deutschen seinen Ursprung in dem Begriff der Absonderung. - Trennung ist demnach Sünde, weil jene Trennung uns das Leben nur schwer erträglich macht...

Und dennoch glauben wir, daß wir, wenn die Mauern der Trennung zu beben beginnen, die ganze Festung droht zu fallen, daß wir dann dennoch etwas zu verlieren hätten.

Ein jeder türmt, versucht sein nacktes Leben, vielleicht auch etwas Hab und Gut zu retten... - Und auf seiner Flucht stolpert dann einer von ihnen über dieses sterbende Kind...

'Hab' keine Angst, hab' keine Angst...'

Ein jeder letztlich für sich diesen Paradigmenwechsel vollführt. - Das Kind in all seiner Unschuld weiß es schon jetzt: 'Es ist doch nur die Rückkehr des Königs.'

Die Überwindung der Trennung.

Und deswegen lacht es und weint es zugleich.

Für das Kind in mir waren Tränen schon immer die höchste Ausdrucksform des Glückes.

Anonym hat gesagt…

Ich liebe dieses Gedicht!

traumstreuner hat gesagt…

Ist nur die Frage, ob unsere Liebe stark genug sein wird, wenn die Mauern fallen...

Lebe gerade einmal wieder fernab von allem auf meinem Berg. - Tut mir nicht gut, kann gar nicht glauben, daß meine kleine Hamburgreise schon wieder zwei Wochen her ist...

Jedenfalls: Gucke beinahe jeden Tag einen Film - und vorgestern war es 'Das Geheimnis der Worte'.

Ich weiß nicht, ob Du die Geschichte kennst, es geht, was erst sehr spät sich gänzlich offenbart, um eine vom Bürgerkrieg in Bosnien/Kroatien schwer Traumatisierte.

Und als sie zum Ende des Filmes hin ihre Geschichte offenbart -

Mag dahin nicht weiter denken, aber solche Dinge werden Menschen immer wieder an viel zu vielen Orten angetan. - Und mir wird Angst und Bange, wenn ich mir den weiteren Verlauf unseres gesellschaftlichen Verfalls ausmale...

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