Es war 1998. Damals war ich noch 17 und hatte wieder eine Enttäuschung im Leben hinter mir. Mein großer Traum vom Beruf der Schauspielerin war geplatzt. Dennoch war dieses Lebensjahr eventuell mein aufregendstes und hat mein Leben nachhaltig geprägt.
In der Zeit, in der ich nichts mit mir anzufangen wusste, fuhr ich oft nach Heidelberg und spazierte umher. Auf der straße war ein Obdachloser, aber kein Gewöhnlicher, kein Trinker. Er "verschenkte" ein selbstgeschaffenes philosophisches Werk gegen eine Spende in beliebiger Höhe. "Die Harmonie der Welt" fiel in meine Hände für kaum mehr als 2 Mark. Ich hätte ihm vielmehr dafür gegeben, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte. Ich setzte mich eine Weile zu ihm. Er hatte tatsächlich Philosophie studiert, bevorzugte das Leben auf der Straße, trotz seines Talents. Angeblich sei sogar ein Verleger interessiert gewesen an seinen festgehaltenen Gedanken, aber jener Mann ließ sich nicht davon abbringen, dass der (völlig ungezwungene) Vertrieb über die Straße der beste Weg sei. Und wirklich: Für sein Werk gibt es nichts besseres. Leider lässt sich sein Name nicht entziffern, und so wird er für all seine Leser immer nur der Philosoph von der Straße bleiben.
Das Werk ist ein durchgehendes philosophisches Gedicht, dass versucht die menschliche Existenz in unglaublich vielen Fascetten zu ergründen.
Hier ein Auszug:
Dein Schicksal überrascht dich nicht
Denn Du bist Dein Schicksal
Deine Begegnungen wundern Dich nicht
Denn Du bist nicht getrennt von ihnen
Dein Tod schreckt Dich nicht
Denn Du bist tausendmal gestorben.
Deine Begegnungen sind die Begegnungen der Welt
Deine Verwandlungen sind die Verwandlungen der Welt
Dein Stillstehen ist nur ein Schein
Dein Sterben ist nur ein Wort.
Du meinst Du seiest etwas Bestimmtes
Doch Du bist nur eine Welle im Weltenmeer
Du meinst Du seiest sebstständig
Doch Du bist nur der Treffpunkt von hunderttausend Kräften
Du meinst Du kannst Dich lenken
Weil du nicht siehst was Dich zieht und treibt
Du meinst Du müsstest etwas tun
Doch Deine Anstrengung ist nur Widerstand.
Hast Du Schmerzen, lauf nicht davon
Hast Du Hoffnungen, halt sienicht fest
Suchst Du die Freiheit, bindet Dein Suchen Dich
Ergreifst Du das Gute, ist Dein Greifen das Böse.
....
4 Kommentare:
sehr schön... - hat mich gefreut, mal wieder was neues hier auf deiner seite zu finden... - 'die perle der muschel wird aus schmerz wohl geboren...' - gibt es das buch wirklich? - erbauende zeilen, mystisch geradezu... - auch wenn mich die geschichte ein wenig an jenen etwas durchgeknallten typen erinnert, der eine weile lang (und wohl auch zu der von dir beschriebenen zeit) durch heidelberg lief und seine 'futurenews' verkaufte... - die geschichte mit der dame im schwimmbad hingegen kaufe ich dir nicht so ganz ab... - sie bricht irgendwie zum ende hin... - wenigstens schreibst du wieder, meine zunge ist wie gelähmt. - und mir fehlt es an willenskraft sie zu lösen, zurückzublicken und all die alten lieder noch einmal zu singen... - für neues der schmerz nicht groß genug. - verloren auch die ohren längst, die lauschen möchten... - und wieder das sinnbild der perle, doch diesmal tritt es weniger in verbindung mit einem verschlossenen schalenwesen als mit grunzendem getiere auf, das in seiner ausdrucksform und farblichkeit so menschlich...
einen lieben gruß ins nahe fern
stefan
übrigens: sagte ich schon... - nein, zu fragen ich mich hatte bislang nicht getraut...
nachtrag: habe den gesamten (?) text im internet gefunden... - danke dir für dieses OSTERGESCHENK...
http://www.regina-rau.de/Deutsch/PoetP_Seit/LP-Landstr.html#2003
Wow! Das wusste ich gar nicht! Dann hat es sein WOrt doch noch geschafft! Er war mit Sicherheit ganz anders, als jener Mann, der seine "Futurenews" verteil hatte :-) Man, das freut mich aber, dass auch andere Menschen so beeindruckt sind!
Wow!
Wow!
Zu der Dame im Schwimmbad, und zu der Idee insgesamt, eigentlich ist es mir nicht so wichtig, dass ich einen Aufbau habe, ich wollte mich einfach nur an diese Menschen erinnern. Mein Leben hat sich in jenen Tagen sehr umgekrempelt und das intensive Denken an diese Menschen, die so viel gefunden haben im Leben, hat mir Mut gegeben!
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